Erich Lindsiepe - Hahn im Korb der Wissenschaft


Der Krüperhahn von Züchter Erich Lindsiepe sorgt auf besondere Weise für die Erhaltung seiner Art

18.08.2015 Porta Westfalica. Er hat lange schwarze Federn, einen prächtigen roten Kamm, kurze schieferfarbene Läufe. Auch sonst ist der Hahn ein stattlicher Kerl. So stattlich, dass seine Anlagen unbedingt der Nachwelt erhalten bleiben sollen. Im Moment allerdings sieht der Gockel etwas mitgenommen aus. Und das ist auch kein Wunder.

Denn der Hahn, der im Garten von Erich Lindsiepe in Porta Westfalica-Costedt zu Hause ist, hat das vergangene Jahr im Institut für Nutztiergenetik im niedersächsischen Mariensee verbracht. Weil die Wissenschaftler es auf sein Sperma abgesehen hatten. Und davon hat der Hahn reichlich abgegeben – allerdings ohne weibliches Zutun. „Die Stimulierung der Hähne ist Aufgabe unserer Tierwirte“, sagt Steffen Weigend, der das Modellprojekt wissenschaftlich betreut. Das Sperma des Costedter Hahns ist nun portionsweise eingefroren – bei minus 136 Grad Celsius.

Das Interesse der Wissenschaftler an dem schwarzen Hahn aus Costedt liegt an der Rasse. „Der Hahn ist ein Krüper“, erklärt Erich Lindsiepe. Die Krüper stellen eine der ältesten deutschen Geflügelrassen dar. 1997 wurde diese Rasse in die „Rote Liste“ aufgenommen und damit als extrem gefährdet eingestuft. „Die ersten Aufzeichnungen über die Krüper gehen bis in das Jahr 1500 zurück“, erzählt Erich Lindsiepe. Der 71-Jährige gilt im Rheinland als „Herr der Hühner“, weil er seit Jahrzehnten alte Rassen wie Krüper und Brahma züchtet.

Fast schon ausgestorben

Anfang 2014 hat es den ausgewiesenen Geflügelexperten und seine Frau mitsamt Hühnern, Ziegen und Pferden nach Porta Westfalica verschlagen. „Ostwestfalen war Ende des 18. Jahrhunderts eine Hochburg der Krüperzucht“, weiß Lindsiepe. Besonders in den Kreisen Minden, Wiedenbrück, Halle, Gütersloh, Bielefeld und Herford wurden Krüperhühner gezüchtet, weil sie als wetterfest und die Hennen als legefreudig galten.1904 wurde im Ruhrgebiet sogar der Sonderverein der Krüperzüchter gegründet. Von den 60er Jahren bis in die 90er wurde es um diese Rasse allerdings sehr still. Sie galt schon fast als ausgestorben. Im Juni 1989 kam es bei Bad Essen zur Wiedergeburt des Krüpervereins. „Krüperhühner kommen in Europa leider nur noch vereinzelt vor. Und in Deutschland gibt es nur noch etwa zwölf Züchter“, sagt Lindsiepe, dem diese alte deutsche Rasse besonders ans Herz gewachsen ist.

Aus diesem Grund ließ er sich nicht lange bitten, als das Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit, das Friedrich-Löffler-Institut, bei ihm anfragte. Das Löffler-Institut hat ein vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz gefördertes Modellprojekt initiiert, das sogenannte Kryoreserven (ausgewähltes Genmaterial) von gefährdeten Nutztierrassen angelegt. „Wir legen Kryoreserven für gefährdete Hühner-, Schweine-, Rinder-, Pferde- und Schafsrassen an“, erklärte Steffen Weigend auf Anfrage der NW. Das gilt als zusätzliche Maßnahme im Bemühen um die Arterhaltung. „Kryoreserven ersetzen keine Lebenderhaltung, sie sind der Notnagel“, fügt Weigend hinzu. Genreserven von zwölf Hühnerrassen werden angelegt. „Dafür brauchen wir aus jeder Rasse 20 Hähne“, fügt Weigend hinzu.

Ausgewählt schon als Ei

Ausgewählt wurde der Hahn von Erich Lindsiepe schon als Ei. „Auf dem wissenschaftlichen Geflügelhof in Rommerskirchen bei Bonn wurden 150 Eier von Krüperhühnern ausgebrütet, und da ist auch mein Hahn geschlüpft“, erklärt Lindsiepe. Qualifiziert hat sich der Portaner Hahn also nicht allein deshalb, weil er so ein stattlicher Kerl ist, sondern weil sein Genmaterial eine große Biodiversität hat. Einfach ausgedrückt: Seine Vorfahren haben selten mit Verwandten angebändelt.

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